Am vergangenen Wochenende hatte ich einen eigenartigen Traum. Und der ging so:
Das Satiremagazin „Der Postillon“ hatte vier Spezialexperten zu einem Einigkeitsgespräch eingeladen. Mit dabei: Der Wissenschaftsautor Florian Freistetter für die Blogosphäre, Astronom Markus Pössel für die Wissenschaft, Franz 0ssing für die Wissenschaftskommunikation, Alexander Gerber für die Wissenschaftskommunikationsforschung und Ex-GEO-Journalist Jens Rehländer für den Wissenschaftsjournalismus. Thema war das Spannungsverhältnis zwischen der Wissenschaft, der Öffentlichkeitsarbeit von Forschungsinstituten, dem Journalismus sowie der Gesellschaft. Und das Gespräch hatte es echt in sich… hier einige Ausschnitte:
Der Postillon: Seit Jahrzehnten finanzieren Rundfunkbeiträge den öffentlich-rechtlichen Wissenschaftsjournalismus. Hat es sich gelohnt?
Rehländer: Manche mag jetzt denken: „Quarks & Co. ist reine Geldverschwendung. Es ist offenbar nur dazu da, Leuten eine Arbeitsstelle und eine Pension zu geben, die nichts anderes können, als Wissenschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen so zu machen, dass niemand davon Kenntnis nimmt.“ Aber das wäre viel zu simpel gedacht.
Der Postillon: Kritiker sagen, die vielen wissenschaftsjournalistische Formate seien alle vergeblich.
0ssing: Quatsch. Die Kritiker sollten sich schämen.
Der Postillon: Immerhin gibt es ja jetzt auch diese Wissenschaftsblogger, was ist da passiert?
Freistetter: Die klassischen Medien müssen sich zunehmend rechtfertigen. Da ist ein ganz mächtiges System entstanden, das die Leser an Werbetreibende verkauft. Doch die Gatekeeper-Funktion verschiebt sich durch den Medienwandel immer mehr hin zu den unbezahlten Kuratoren.
Gerber: Ich mache einen radikalen Vorschlag: Die Gelder, die bisher für „Wissenschaft im öffentlich-rechtlichen Fernsehen“ ausgegeben wurden, sollten zur Hälfte in eine Stiftung oder einen Fonds fließen, der unabhängige Wissenschaftsblogger und -podcaster fördert. Das ist doch auch eine kulturelle Leistung, die da erbracht wird. Und das ganz ohne Depublikationspflicht.
Pössel: Als bloggender Wissenschaftler könnte ich mir das schon vorstellen. Aber wir müssen die Kirche auch im Dorf lassen: Das Vermitteln von Wissenschaft ist schließlich nicht intellektuell anspruchsvoller als das Betreiben von Wissenschaft selbst.
Der Postillon: Stimmt es denn, dass Blogger den Wissenschaftsjournalismus ablösen werden?
Rehländer: Nein.
Freistetter: Nein. [Schlägt die Handinnenfläche vor die Stirn.]
Pössel: Nein. [Verdreht die Augen.]
Der Postillon: Kritische Nachfrage: Aber das hört man doch immer wieder!
0ssing: [Beißt in den Tisch.]
Gerber: Könnten wir diese 2007er-Diskussion wieder einmotten und uns der Zukunft oder wenigstens der Gegenwart zuwenden?
Der Postillon: Na gut. Wie sieht es denn mit der Öffentlichkeitsarbeit der Wissenschaftsorganisationen aus. Müssen die jetzt wirklich alle twittern?
Rehländer: Mancher mag denken: Die Euphorie, künftig alle medialen Kanäle selbst bedienen zu können, wäre totaler Humbug. Doch die Wissenschaft muss die Sozialen Netzwerke und Web 2.0-Trends nutzen, um mit der Gesellschaft und gerade mit dem Nachwuchs im Diskurs zu bleiben. Das ist allein schon eine Frage der Transparenz: Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, mit den Unis und Forschungsinstituten darüber zu diskutieren, warum die öffentlichen Mittel wofür ausgewählt werden. Und so wie man in den 90ern eine Webseite aufgesetzt hat, weil Menschen in diesem Medium kommunizieren, so macht man das nun mit Social Media.
Freistetter: Man stelle sich nur mal vor, die steuerfinanzierte Wissenschaft würde sich kommunikativ so zurückziehen, dass ich als Bürger auf Facebook keine Rückfragen mehr stellen oder etwas in einem Blog-Kommentar kritisieren könnte. Und Herr 0ssing würde nur mit Leuten reden, die einen Presseausweis haben? So ein Quatsch.
Der Postillon: Aber da sind die Journalisten als professionelle Vermittler dann vollkommen außen vor?
0ssing: Nein. Wir brauchen auch weiterhin einen starken und kritischen Wissenschaftsjournalismus in Deutschland. Deshalb unterstützen wir doch Organisationen und Konferenzen in diesem Bereich, bieten Volontariate an und ermöglichen journalistische Recherchen. Niemand hat die Idee, man müsse die „bösen kritischen Journalisten, die sowieso immer nur falsch berichten“ umgehen. Uns geht es um einen ehrlichen Diskurs rund um die Wissenschaft mit der Gesellschaft – und dafür brauchen wir die Journalisten genauso wie die Blogger.
Soweit die Ausschnitte aus dem Gespräch. In meinem Traum meldeten sich natürlich sofort einige Kritiker ausführlich mit Blogbeiträgen zu Wort:
- Holger Wormer kritisierte, dass der Wettstreit zwischen Bloggern und Journalisten aktueller sei denn je.
- Der für seine Polemiken bekannte Blogger Ernst Peter Fischer gab den Vorwurf „Die sollten sich schämen!“ prompt an die Beteiligten des Einigkeitsgesprächs zurück.
- Peter Weingart schloß sich dem in einer meisterhaft doppeldeutigen Formulierung seines Rants so halb an.
- Elisabeth Hoffmann kritisierte das Gespräch auf ganzer Linie und forderte auf, die konstruktiven Diskussionsfäden und -angebote aufzugreifen.
- Helmuth Markwort wollte mal wieder nur Fakten, Fakten, Fakten und immer an die Quellen denken! Richard Zinken gefällt das. Markus Weißkopf auch.
Daneben meldete sich natürlich auch das unvermeidbar plappernde Volk auf Twitter zu Wort.
Dann erwachte ich aus dem Traum: Sonntagmorgen, der 15. Februar 2015. Puh!!! Alles nur geträumt! Ein Glück! Gut, dass wir nicht schon wieder so eine rückwärts gewandte Wisskomm-Diskussion mit schwarz-weiß / gut-Böse / Journalist-Blogger / Wissenschaftler/PR-Heini und gute Medien/böse Social Media-Schubladen haben. Dann können wir uns ja mal Gedanken machen, wie wir den gesellschaftlichen Diskurs rund um die Wissenschaft konstruktiv nach vorne bringen können!
Offenlegung: Ich bin Betroffener. Dieser Beitrag ist ausgedacht und Satire und mein privater Mist.