Interview zur Social Media-Kommunikation des DLR

Schwerelos während eines Parabelflugs im September 2009. Bild: DLR (CC-BY 3.0)
Schwerelos während eines Parabelflugs im September 2009.
Bild: DLR (CC-BY 3.0)

Im Mai 2012 gab ich Wenke Bönisch ein Interview über meine damalige Arbeit als Social Media Manager des DLR. Der Titel lautete: “Es geht uns um Interaktion statt Einbahnstraßen-Kommunikation”. Hier ein Crossposting des Texts.

Inhalt: Vorstellung / warum Web 2.0 / Blogs / Plattformen / Zielgruppe / Podcasts / das Team / Crossmedia / die Wissenschaftler / Internationales / Ausblick

Wenke Bönisch: Bevor wir über die die Erfahrungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Umgang mit neuen Medien sprechen, bitte ich Sie, Herr Krause, sich kurz den Lesern vorzustellen.

Henning Krause: Ich bin Jahrgang 1976 und habe Physik in Göttingen und Geschichte der Naturwissenschaften in Hamburg studiert. In den Wissenschaftsredaktionen von FAZ, dpa, Spiegel Online, NDR-Hörfunk und Hamburger Abendblatt sammelte ich journalistische Erfahrungen, bevor ich ein Wissenschaftskommunikations-Volontariat beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln absolvierte. Seit 2007 arbeite ich in der DLR-Kommunikation, Abteilung Crossmedia als Online-/Social Media-Redakteur und Manager des DLR-Webportals. Im August 2012 werde ich als Social Media-Manager bei der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin anfangen. Auf meiner Lieblingsplattform Twitter findet man mich als @HenningKrause.

Das DLR ist mit einem Portal im Web präsent, das sich durch zahlreiche Social Web-Elemente (Blogs, Videos, Twitter) von einer klassischen Webseite abhebt und mehr ein Magazincharakter aufweist. Wie kam es zu dieser Entwicklung und wie reagierten die Nutzer auf das Angebot?

Henning Krause: Kern unseres Webportals waren schon lange journalistisch hochwertig aufbereitete Inhalte für die allgemeine Öffentlichkeit. Mit dem Relaunch unseres Webportals im Sommer 2011 und der mobilen Webseite im Februar 2012 haben wir uns allerdings von unserer zuvor eher nüchternen Optik verabschiedet und setzen nun auf große Bilder und Multimedia-Inhalte. Dazu gehört z. B. auch, dass unserer Webseite bewusst ein klassischer Corporate-Header mit Logo fehlt, sondern wir unsere Webseite inhaltlich, also über Themen, beginnen lassen. Das zusammen mit dem weiterhin vorhandenen journalistischen Anspruch macht den Magazincharakter der Webseite aus. Hinzu kommen Onlinejournalismus-spezifische Formate und die Web 2.0-Elemente wie Blogs und die Einbindung externer Social Media-Plattformen, die uns wichtig sind, da wir mit unserer Online-Kommunikation den Rückkanal für alle Interessierten öffnen wollen. Es geht uns um Interaktion statt Einbahnstraßen-Kommunikation. Die Nutzer nehmen diese Angebote gut an.

DLR-Mitarbeiter oder Partner bloggen im Portal. Zur Zeit gibt es 8 Blogs, die thematisch entweder einem bestimmten Projekt oder allgemein Nachrichten aus dem Bereich Luft- und Raumfahrt bzw. wie das Blog Jan Wörner, Vorstandsvorsitzender der DLR, einer einzelnen Person gewidmet sind. Wie engagiert sind die DLR-Mitarbeiter beim Bloggen? Mit welchen Zielen bloggen sie und welche Änderungen – positive oder negative – in der öffentlichen Wahrnehmung der Projekte bzw. bloggenden Mitarbeiter/Wissenschaftler konnten Sie feststellen?

Henning Krause: Wir haben die Plattform DLR-Blogs (http://www.dlr.de/blogs) im Januar 2010 gelauncht, weil wir interaktiver werden und über die klassische Online-Pressemitteilung hinaus mehr Raum für neue Formate haben wollten. Mit Jan Wörner haben wir den derzeit einzigen bloggenden CEO von europäischen Raumfahrtorganisationen. Und weil wir oft danach gefragt werden: Er schreibt seine Texte wirklich selbst. Sehr gut angekommen sind auch die Missionsblogs: Als der deutsche Radarsatellit TanDEM-X im Juni 2010 startete, berichtete etwa ein Dutzend Wissenschaftler über die vielschichtigen Arbeiten, die im Kontrollzentrum und bei der Daten-Auswertung notwendig waren, um den Erdbeobachtungssatellit in die operationelle Phase zu bringen – und dies sehr persönlich und authentisch. Wir haben dazu sowohl von Innen als auch von Außen sehr positive Rückmeldungen erhalten. Es gibt für viele solcher Themen Interessenten – auch in einer Detailtiefe und Kommunikationsfrequenz, die man nicht mit Pressemitteilungen abdecken könnte. Wir erfüllen damit auch unsere Informationspflicht gegenüber dem Steuerzahler. Im Sinne unserer Online-Kommunikationsstrategie ermöglichen die DLR-Blogs auch einen Austausch mit unseren Lesern über die Kommentare. Wir halten auch ständig die Augen und Ohren offen, um neue potenzielle Blogthemen und Blogger im DLR zu identifizieren, um hier noch mehr spannende Inhalte abzubilden.

Ein gutes Beispiel für den Nutzen sowie die positive Wahrnehmung und Wirkung unseres Blogs war die Vulkan-Aschewolke, die im April 2010 den Luftverkehr über Europa behinderte. Das DLR betreibt ja die größte Flotte von Forschungsflugzeugen in Europa, darunter auch eines, das mit Messsonden für die Untersuchung der Atmosphäre auf Partikel wie die Vulkanasche geeignet ist. Das Flugzeug mit den entsprechenden Geräten auszurüsten und die notwendigen Genehmigungen der Behörden zu bekommen, dauert normalerweise Wochen. Unser Flugbetrieb und unsere Wissenschaftler haben das damals in wenigen Tagen hinbekommen. Aber der mediale Druck auf das DLR, den Analyseflug schnellstmöglich durchzuführen, wuchs in der öffentlichen Diskussion. Neben einer Sonderseite war es in diesem Fall besonders ein Blogpost von DLR-Chef Jan Wörner, der die Gründe dafür erklärte und uns Nachfragen in den Kommentaren öffentlich sichtbar beantworten lies.

Neben den Blogs ist das DLR auch auf Twitter, Youtube, Facebook, Google+ etc. vertreten. Warum und wie nutzen Sie diese Social Media Kanäle einzeln bzw. insgesamt? Wen wollen Sie erreichen?

Henning Krause: Wir sehen die Social Media-Kanäle als selbstverständlichen Teil der Online-Kommunikation einer größtenteils steuerfinanzierten Forschungsorganisation an. Wir wollen es den Menschen möglichst einfach machen, zu erfahren, was wir warum machen. Dabei ist es uns auch wichtig, über die nüchtern, sachliche Information hinaus auch die Faszination der Wissenschaft und die gesellschaftliche Relevanz unserer Arbeit zu transportieren. Dabei ist insbesondere der Nachwuchs eine wichtige Zielgruppe. Wir erleben es oft, dass wir auf Inhalte, die die „Faszination Forschung“ auch emotional transportieren, sehr viel positive Rückmeldung in den sozialen Netzwerken erhalten.

Facebook ist dabei die Plattform mit der potenziell höchsten Reichweite, auch wenn wir zur Zeit auf Twitter noch mehr Follower als Fans auf Facebook haben. Die Google+-Seiten halte ich insbesondere deswegen für wichtig, weil die immer weiter zunehmende Personalisierung von Ergebnissen der Google-Websuche dazu führen wird, dass Inhalte, die den jeweiligen Nutzerinteressen nahe stehen, höher gerankt werden. Und wer dann nicht bei Google+ ist, wird als weniger relevant einsortiert werden. Dann bespielen wir noch die medienspezifischen Kanäle wie Flickr für Bilder, Youtube für Videos und Livestream.com für Live-Videoübertragungen. Dabei haben wir mittlerweile auch unsere ersten Gehversuche im Bereich von viralen Clips unternommen.

Die Helmholtz-Gemeinschaft, deren Mitglied das DLR neben 17 anderen deutschen Forschungsorganisationen ist, hat am 29. Mai 2012 gerade seinen Social Media Newsroom eröffnet. Hier tauchen die Web 2.0-Inhalte aller Helmholtz-Zentren auf und auf der DLR-Seite sieht man unsere Inhalte schön gebündelt.

Wie sind die Reaktionen auf diese Angebote sowohl der interessierten Öffentlichkeit, der Wissenschaftsjournalisten als auch von Wissenschaftlern selbst?

Henning Krause: Die interessierte Öffentlichkeit sind neben den Lesern unserer Blogs ja zunächst einmal die Nutzer der jeweiligen Plattformen. Mit unseren Themen aus dem All und der Forschung stoßen wir da immer auf Interesse, insbesondere wenn z.B. Bilder oder Videos auch ästhetisch und emotional ansprechend sind. Journalisten nutzen unsere Social Media-Kanäle aber auch. In dem zuvor genannten Fall der Vulkan-Aschewolke über Europa war z. B. Twitter wegen seines Echtzeit-Kommunikationscharakters für uns das effektivste Werkzeug, sehr schnell und hochfrequent Neuigkeiten zu veröffentlichen, z. B. „Das Forschungsflugzeug ist soeben gestartet. Hintergrund-Infos auf unserer Webseite …“. Diese Kanäle haben, wie wir später erfuhren, auch Journalisten (insbesondere Online-Journalisten) genutzt und als hilfreich für ihre Arbeit empfunden. Im selben Kontext haben wir auch lernen können, wie man auf Twitter einen Shitstorm vermeidet. Die Wissenschaftler freuen sich, z. B. über die Blogs auch einmal Inhalte mit mehr Detailtiefe kommunizieren zu können als sonst in Pressemitteilungen üblich. Dennoch würden wir uns natürlich noch mehr bloggende Wissenschaftler wünschen. Andererseits ist das sicher auch nichts für jeden Wissenschaftler und wer nicht einfach überzeugt werden kann, den sollte man auch besser nicht dazu drängen.

Darüber hinaus gibt es noch das Social Media Projekt „Raumzeit“, ein Podcast-Blog, in dem Wissenschaftler, Ingenieure und Organisatoren des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA), die maßgeblich an den Raumfahrt-Projekten Deutschlands und Europas mit gestalten, interviewt werden. Wie entstand die Idee zur „Raumzeit“? Warum wählten Sie das Format Podcast?

Henning Krause: Die Idee zur Raumzeit hatten Andreas Schepers von der ESA und ich auf der Wissenswerte 2009 entwickelt. Ende 2010 ging es dann endlich los. Mittlerweile haben wir mehr als 35 Folgen veröffentlicht. Das Format der Raumzeit ist ein Interview-Audio-Podcast mit einem Moderator und einem Experten zu einem Thema. Dabei steigen wir sehr tief in die Details ein und so kann eine Raumzeit-Sendung dann schon mal 1,5 oder 2 Stunden dauern, im Extremfall 2,5 Stunden. Die Gespräche sind nicht geskripted und nicht wie ein Wikipedia-Lemma strukturiert aufgebaut – und genau das macht sie so spannend: Moderator Tim Pritlove fragt den Expert Löcher in den Bauch. Als hätten sich beide gerade auf einer langen Zugfahrt kennen gelernt und wären ins Plaudern gekommen. Und der Zuhörer hört dabei zu wie ein Mitlauscher auf dem Nachbarsitz. Er nimmt am Lernprozess des Fragenden Teil und so entsteht eine Spannung und Dynamik, die in dieser Ausführlichkeit in einem Text-Format wohl unmöglich wäre. Zumindest ist dies ein Vorteil des Genres Podcasts: Man kann sich auf das Wesentliche konzentrieren: Das Vermitteln von Informationen über Sprache, die menschlichste aller Kommunikationsformen. Gleichzeitig stellen wir damit implizit auch die Menschen hinter den Themen vor, die Wissenschaftler und Projektmanager von DLR und ESA, der Europäischen Weltraumorganisation, mit der wir die Raumzeit zusammen umsetzen. Alle zwei Wochen erscheint eine neue Episode der Raumzeit. In der deutschen Wissenschaftskommunikation haben wir mit der Raumzeit Neuland betreten.

Podcasts haben oft eine längere „Lebensdauer“ im Netz als Blogbeiträge. Zudem gibt es zahlreiche begeisterte Anhänger von Podcasts, da man diese dann hören kann, wenn man dafür wirklich Zeit hat. Können Sie von Ihren Nutzererfahrungen berichten? Erreichen Sie mit Podcasts mehr Ihre Zielgruppe als mit den übrigen Social Web Auftritten?

Henning Krause: Nein, das kann man so nicht sagen. Wir erreichen damit einen anderen Teil unserer Zielgruppe. Moderator Tim Pritlove hat bereits mit anderen Podcasts einen großen Hörerkreis erreicht. Das Hörer-Feedback bei der Raumzeit ist interessanterweise nicht „die Folgen sind zu lang“, sondern im Gegenteil eher: „Prima, aber ihr hättet dieses oder jenes Detail noch ansprechen können.“ Aus den Kommentaren im Blog, auf iTunes und von Hörertreffen wissen wir, dass die Raumzeit insbesondere eine junge, teils studentische Zielgruppe erreicht. Wenn man Kommentare erhält wie „OK. Ihr habt es geschafft. Ich werde nun Luft- und Raumfahrtingenieur studieren“ dann ist das ein Riesenerfolg. Und auch in den einschlägigen Charts ist die Raumzeit einer der angesagtesten Wissenschafts- und Technologie-Podcasts.

Die Angebote des DLR im Social Web sind vielfältig. Gibt es ein größeres Team zur Betreuung und Pflege der Auftritte? Welche Lösung haben Sie für die DLR-Auftritte im Social Web entwickelt, einerseits persönlich zu kommunizieren, andererseits das Engagement nicht zu sehr von einer Person abhängig zu machen?

Henning Krause: Die Kanäle werden von der Abteilung Crossmedia der DLR-Kommunikation betreut. Neben unserem Abteilungsleiter Marco Trovatello kümmern sich auch meine Kolleginnen Andrea Schaub und Elke Heinemann um die Online-Kommunikation. Zusammen mit mir als Online-/Social Media-Redakteur sind das also vier Personen. Insgesamt kann man für die Web 2.0-Kommunikation bei uns aber höchstens ein halbes Personenjahr ansetzen. Die Aufteilung, dass ich mich größtenteils um die Social Media-Kanäle kümmere, und wir bei absehbaren Ereignissen dafür explizit einen Diensthabenden einteilen, hat sich als praktikabel erwiesen.

Die persönliche Kommunikation ist dabei natürlich wichtig. Daher findet man bei unseren Blogposts Namen und Bild des Autors sowie eine kurze About-Seite. Auch auf den externen Plattformen machen wir durch ein Kürzel deutlich, wer etwas postet. Viel wichtiger ist dieser Aspekt aber noch bei den Wissenschaftlern und – im Raumfahrtkontext – bei den Astronauten, also den Identifikationsfiguren. Sie zu überzeugen, persönlich zu bloggen, twittern, flickrn und plusses ist das A und O. Denn solchen Identifikationsfiguren, die authentisch über ihre Arbeit kommunizieren, wollen die Menschen natürlich noch lieber folgen, als Corporate-Kanälen der dahinterstehenden Organisationen. Dies haben wir kürzlich in einer Session auf der re:publica erklärt.

Der persönliche Aspekt ist aber nicht nur für die Wissenschaftler und Astronauten wichtig, sondern auch für unsere Zielgruppe selbst. Die große Aufmerksamkeit, die uns etwa während der Aschewolke 2010 entgegengebracht wurde, als viele Menschen an Flughäfen im Ausland festsaßen, hat uns wieder gezeigt, dass die gesellschaftliche Relevanz unserer Forschung gerade dann am sichtbarsten für die Menschen wird, wenn sie selbst persönlich betroffen sind. In einem sehr positiven Sinn erleben wir das auch dann, wenn wir unsere Leser darauf aufmerksam machen, wann und wie sie die Internationale Raumstation mit bloßen Augen als hellen Punkt über den Abend- oder Morgenhimmel fliegen sehen können. Solche direkten persönlichen Erlebnisse vermögen eine starke Bindung zu den Menschen aufzubauen.

Wie integrieren Sie das Social Media Engagement des DLR mit der klassischen Öffentlichkeits- und PR-Arbeit? Ergänzen sich beide Wege oder konkurrieren sie?

Henning Krause: Die gerade erwähnte Abteilung Crossmedia ist neben der Abteilung Presse und der Abteilung Event eine der drei Säulen der DLR-Kommunikation. Damit ist die Online-Kommunikation (darunter unser eigenes Portal und die Web 2.0-Kommunikation) genauso zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit des DLR wie die Pressearbeit und unsere Veranstaltungen (z. B. Tage der offenen Tür etc.). Das ergänzt sich sehr gut und wird durch wöchentliche Teamsitzungen und den direkten Austausch mit den Kollegen direkt verzahnt. Wir sehen das nicht als „oder“ sondern als „und“. Bei den Themenplanungen für unsere Webseite berücksichtigen wir dann beispielsweise schon im Vorhinein, wo Social Media-Elemente eingebetten werden können – zum Beispiel ein Video für Youtube oder Liveberichterstattung über Twitter und Facebook anlässlich eines Raketenstarts oder eines Außenbordeinsatzes auf der Internationalen Raumstation ISS.

Viele Wissenschaftler stehen der Wissenschaftskommunikation im Social Web kritisch gegenüber. Lediglich max. 5-8 % engagieren sich, indem sie bloggen, twittern etc. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diese ablehnende, skeptische Haltung?

Henning Krause: Zunächst einmal denke ich, dass Wissenschaftler auch ein Abbild der Gesamtbevölkerung darstellen. Und laut ARD-ZDF-Onlinestudie sind die Zahlen der Aktiven eben noch relativ gering, auch wenn die Steigerungsraten über die vergangenen Jahre nach oben zeigen. Meiner Erfahrung nach werden als Ablehnungsgrund meist Zeitgründe, Informationsüberflutung und Pflegebedarf (z. B. Blogkommentare) angegeben. Ich kann das auch gut verstehen. Viele Wissenschaftler sind über die geforderten Maße hinaus für ihre Sache engagiert und arbeiten ohnehin schon zu viel. Da sollten wir Öffentlichkeitsarbeiter keinen zu etwas drängen, was ihr oder ihm nicht entspricht. Gleichzeitig denke ich, dass wir insbesondere bei Nachwuchswissenschaftlern die Chance haben, sie fürs Bloggen oder Twittern zu begeistern. Auch Initiativen wie die Science Slams können hier einen neuen Weg der Popularisierung leisten, den ich großartig finde.

Einzelner Wissenschaftler vs. Projektteam: wie stark sollte sich der einzelne Wissenschaftler im Social Web selbst engagieren oder bedarf es einer koordinierten Instituts- und Projektöffentlichkeitsarbeit?

Henning Krause: Ich sehe da kein „oder“. Natürlich bedarf es einer koordinierten Öffentlichkeitsarbeit der Forschungsorganisationen. Gleichzeitig sollten die Wissenschaftler, die dies wollen, sich auch persönlich in Sozialen Netzwerken engagieren. Und die Kommunikationsabteilungen der Häuser sollten diese Forscher ermutigen und ihnen beratend zur Seite stehen – zum Beispiel mit einem Leitfaden, Ansprechpartnern und Schulungen.

Sie haben durch „Raumzeit“ den Blick auf die europäische Ebene. Wie sieht die Situation auf europäischer oder gar internationaler Ebene aus?

Henning Krause: Im englischen Sprachraum sind die Follower- und Fan-Zahlen naturgemäß beeindruckend höher als im deutschen. Aber auch unabhängig davon können wir hier viel von Trends aus den USA lernen. Die US-Raumfahrtbehörde NASA bespielt beispielsweise zahlreiche Social Media-Plattformen. Sie hat außerdem mit den Tweetups einen Trend gesetzt, den wir beim DLR im vergangenen Jahr zusammen mit der ESA aufgegriffen haben. Anläßlich unseres Tags der offenen Tür luden wir 60 unserer Twitter-Follower zum ersten europäischen SpaceTweetup ein. Wir haben mit diesem neuen Eventformat der Wissenschaftskommunikation sehr positive Erfahrungen gemacht und werden solche Tweetups auch weiterhin veranstalten (Tweetup-Zahlen siehe hier).

Welche Strukturen müssen sich wandeln, damit Wissenschaftler sich mehr im Social Web engagieren?

Eine schwierige Frage. Die Forschungsorganisationen sollten meiner Meinung nach bei der Planung neuer Projekte Zeitkontingente für Öffentlichkeitsarbeit mit einplanen – sowohl die klassische und auch für Social Media. Aber das kann sicher nicht alles sein. Wir sollten die Frage mal crowdsourcen.

Wagen wir zum Abschluß noch einen Blick in die Zukunft: Wie wird Wissenschaftskommunikation in 5 oder 10 Jahren nach Ihrer persönlichen Einschätzung aussehen?

Henning Krause: Bezüglich der Sozialen Netzwerke ist aus meiner Sicht nur der Wandel sicher. Keiner weiß, ob Facebook in fünf Jahren noch das führende Netzwerk sein wird oder welche Trends es in zehn Jahren geben wird. Vielleicht wird es dann ein Gerät geben, mit dem man Gerüche übertragen kann, oder ganz neuartige Technologien für die Mensch-Maschine-Schnittstelle. Daher werden wir Kommunikatoren die Trends immer beobachten und entscheiden müssen, auf welches Pferd wir setzen und wann wir eventuell auch mal von einem alten Gaul absteigen. Und auch wenn dies nicht spezifisch für die Wissenschaftskommunikation ist, denke ich, dass die allgemeinen Trends Mobilität, Orts- und Zeitsouveränität, Interaktiviät, Echtzeitkommunikation, Persönlichkeit, Verschwimmen der Gatekeeper-Funktion, Longtail, Automatische Supskription, Kollaboration sowie Konvergenz von Offline- und Online-Welt (AR) in der Kommunikation weiter zunehmen werden. Wir versuchen beim DLR z. B. mit unseren Apps in diese Richtung zu gehen. Und auch den Sharing-Aspekt des Netzes haben wir mit unserer Creative Commons-Initiative unterstützt. Daneben wird es meiner Meinung nach aber auch weiterhin den Bedarf für klassische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Wissenschaftskommunikation geben.

Herzlichen Dank für das Interview, Herr Krause!

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